Wenn Schwaben vom „Butza“ singen

Posted in Presse on Aug 2, 2005

FRIEDRICHSHAFEN – Das Publikum im Chapiteau ist beim Konzert von „Mannes Sangesmannen“ am Sonntagabend etwas langsam in Fahrt gekommen. Dann aber ließ es sich von den sieben oberschwäbischen Mundartartisten und ihrem harmonischen Gesang mitreißen. Die Bad Wurzacher können ebenso gut schauspielern wie singen.

Von unserer Mitarbeiterin Anna Hoben

Ein Original-„Wuzaner“ sitzt im ausverkauften kleinen Zelt, außerdem zwei Zugezogene aus Stuttgart, die im Laufe des Abends nicht nur einmal zur Zielscheibe von Sänger und Moderator Johannes Ott werden sollen. Dessen Entertainer-Qualitäten sind unnachahmlich. Er vergleicht die Neckereien unter den Bewohnern der süddeutschen Regionen mit der Gastronomie: „Die Oberschwaben sind die Oberkellner, die Unterländer sind noch Auszubildende und die Badenser, die sind einfaches Küchenpersonal.“
Trotz allen Heimatstolzes nehmen „Mannes Sangesmannen“, Träger des diesjährigen Kleinkunstpreises Baden-Württemberg, die Oberschwaben und ihre Eigenarten gehörig auf die Schippe. Dazu gehört die scheinheilige Frömmigkeit, die Paranoia vor den „wüstgläubigen“ Protestanten oder die mundfaule Verdruckstheit nach dem Motto: „Wenn’s was zom Essa geid ond koinr ebbes said, noch war’s beschdemmd id schleachd“.
Im Lied vom „Reigschmeckte“ schildern die Mannen, wie der Schwabe dem neuen hochdeutschen Nachbarn einen Besuch abstattet und eigentlich an ihm vorbei auf die Möbel in der Wohnung lugt. Das ist witzig. Wie vielfältig die schwäbische Sprache ist, zeigen sie mit dem Wort „Butza“. Hat es doch gleich vier Bedeutungen: Apfelbutzen, sauber machen, hinfallen „S’hot mi nabutzt“ und ohrfeigen „I butz dir glei oina“.
Das Friedrichshafener Publikum ist jedoch zunächst zurückhaltend und wird erst mit Fortschreiten des Programms lockerer. Dreimal müssen die Sangesmannen ihren schwäbischen Zungenbrecher mit den vielen B-Wörtern vortragen, der auf Hochdeutsch so absurd umständlich klingt. Für ihre witzigen, pointierten Texte haben die sieben Sänger bekannte Lieder und Melodien umgeschrieben. Dabei reicht ihr Repertoire von mehrstimmigen Renaissance-Madrigalen über Volkslieder bis zu Pop-Songs von den Beatles oder den Beach Boys. Der Gesang ist ausgefeilt, die Performance von hoher Professionalität. Die Melodie von „Surfin’ USA“ wird zum „Lied von dr Metzelsupp“ – die große schwäbische Errungenschaft neben Spätzlebrett und Moschtkrug. Tenor und Publikumsliebling Florian Tobisch spielt den Bauern, der sein Schwein aus dem Stall holt und auf es einsticht. Ganz nach dem Motto: „Alles, was aus dem Schwein rauskommt, kommt in die Metzelsuppe rein.“ Die Erklärung auf Französisch ist also denkbar einfach: „La soupe du massacre“.
Im Kebap-Lied darf der selbsternannte echt schwäbische „Quotentürke“ Serkan Kahraman über die Dönerstände singen, die auch in Oberschwaben überall wie Pilze aus dem Boden schießen. Das führt beim Publikum zu einem hohen Wiedererkennungseffekt, wenn es heißt: „Pute odr Lamm, mid viel scharf und rot.“ Die Zuhörer sind begeistert und erst nach drei Zugaben dürfen die Sangesmannen gehen.

(SZ, 2. August 2005)