Sangesmannen lassen sich aufs Publikum ein

Posted in Presse on Jan 20, 2005

EGLOFS (jr) – Ein weiteres Mal haben Mannes Sangesmannen im Dorfstadel in Eglofs für Einblicke ins oberschwäbische Seelenleben gesorgt. Es taten sich Abgründe auf.

Die sieben Zöglinge des Salvatorkollegs in Bad Wurzach präsentierten sich musikalisch pikobello, haben Renaissancemadrigale ebenso im Griff wie klassische Männerchorsätze oder Jazz- und Poparrangements. Was sie diesen Melodien an Texten unterjubeln, hat es in sich. Sie verstehen sich aufs Verfremden, Überzeichnen und die eigentlich gar nicht lustigen Tragödien, von denen sie erzählen, rühren zu Lachtränen. Mit Unschuldsminen tauchen sie tief in lokale Bezüge ein und überzeichnen oberschwäbische Wesensunarten. Viele ihrer Späße scheinen der Pubertät entsprungen zu sein und offenbaren eine hemmungslose Lust am Anarchischen. Singen sie das Eglofser Heimatlied auf Allgäuerisch, renkt es ihnen die „Gosche“ aus, ihre Beschreibung des Verhältnisses zu den „Reingeschmeckten“ ist schonungslos und wenn einer der Sänger auf Freiersfüßen durchs Publikum wandelt, bleibt kein Auge trocken. Dann tischen sie eine deftige Metzelsuppe auf, kämpfen derb und sprachlich herb mit den Linsengasen im Wartezimmer des Arztes oder sinnieren über die Anglizismen in unserer deutschen Sprache.

Ohne Scheu lassen sie sich auf die Situation und aufs Publikum ein und so mancher Zwischenruf von der Bühne oder auf die Bühne hinauf, sorgte nicht nur bei Zuhörern für lautstarke Heiterkeit, so dass sich die Sänger länger als sonst für den Einsatz innerlich sammeln mussten. Frisch und unverbraucht fesselten sie das Publikum und ließen einen die Zeit vergessen. Ohne Reue konnte man in einem Universum aus Bubenstreichen, Erzählungen voller Skurrilitäten und Spott versinken. Die sieben Sänger haben von vielen etwas übernommen und doch etwas ganz Eigenständiges entwickelt, das sie mit viel Spaß hörbar werden lassen. Unverzichtbarer Klassiker als Zugabe war das Drama um den kuchengierigen Ehemann, der sich beim Beschaffen des Objekts der Begierde eine schreckliche Verletzung unterhalb der Gürtellinie zuzieht und in der zweiten Zugabe dann doppeldeutig und zotig zugeben muss: „’s ist Feierabend“. Schadenfreude gehört offenbar zu den menschlichen Grundbedürfnissen.

SZ 20.01.2005