Sie brauchen keine Mikrofone zum Glück
Posted in Presse on Jan 28, 2004
Sie brauchen keine Mikrofone zum Glück
Ja, das würde sich die Kulturamtsleiterin Iris Mann für alle Veranstaltungen der Reihe „zwischentöne“ wünschen: ein volles Haus, wie es Mannes Sangesmannen bei ihrem Auftritt im Kurhaus am Park bescherten.
Eine vom konferierenden Wortführer der Gruppe vorgenommene Publikumsanalyse ergab allerdings unter den 500 Besuchern einen minimalen Anteil von einheimischen Isnyern. Die andern kamen aus Radolfzell, Pforzheim und anderen südwestlichen Regionen. Kurpatienten saßen in den Reihen mit der Auflage im Nacken, um 22.30 Uhr in der Klinik zu sein. Sie schafften es nicht, denn die Sangesmannen machten mit drei, pfeifend und klatschend begehrten Zugaben Überstunden.
Was begeisterte die Massen? „Oberschwäbische a capella-Mundartistik“. Die Sangesmannen sangen und schwätzten oberschwäbisch. Sie brauchten keine elektronischen Hilfsmittel, um ihre schönen Stimmen zu verstärken. Flaschenweise schlotzten sie Mineralwasser. Ironisch hintergründig, oftmals skurril und ausgefallen sind die Darbietungen in Wort und Ton. Aber das alles steht fest und treu auf der Scholle der schwäbischen Hei mat. Pardon: der oberschwäbischen Heimat. Mannes Sangesmannen pflegen den seit der Steinzeit schwelenden Konflikt zwischen dem Oberland und dem Unterland jenseits der Alb. Da ist natürlich ein Stück regionaler Gebundenheit. In Frankfurt beispielsweise würde das niemand interessieren. Höchstens als lokale Abwandlung des eigenen Streits zwischen Frankfurt und Sachsenhausen, wonach jeder Sachsenhausener ein Frankfurter ist, aber nicht jeder Frankfurter ein Sachsenhausener.
Katholisch sind sie noch immer, die acht ehemaligen Klosterschüler des Salvatorkollegs in Bad Wurzach. Da kann man ruhig auch einmal die Nase über die Evangelischen, die „Protestantischen“ rümpfen. Aber das bleibt marginal. Es gibt wichtigere Themen: die unsere Sprache überwuchernden Anglizismen, der traurige Tod einer Fliege in den Armen einer fleischfressenden Pflanze, die drastisch beschriebene Herstellung einer Metzelsuppe. Und der Papst darbt im Himmel, wo ihm Tag für Tag nur Nudelsuppe serviert wird, während in der Hölle auf Teufel komm raus gefressen und gesoffen wird.
A propos Teufel. Auch unser hochgeschätzter Herr Ministerpräsident geriet in einen der Gesänge, die sich zwischen Renaissance-Madrigal, Volkslied und Popsong bewegen. Und bemerkenswert war ferner der intensive Kontakt zum Publikum. Die Leute machten mit, sangen die Refrains zweideutiger Lieder und beantworteten die unverschämt neugierigen Fragen des Conferenciers. Beifall über alles.
Schwäbische Zeitung, 28.01.2004