Die „Helden des Alltags“ gefeiert

Posted in Presse on Nov 28, 2006

16. „Festival of Folk & Fools“ in Wirges: ein herrlicher Abend für Geist, Seele und Lachmuskeln – Schwäbisches „Hui Wäller“

Eine schwäbische A-cappella-Männertruppe, ein meisterhafter Comedian aus Wien sowie irische Folkmusik der aufstrebenden Gruppe „Gráda“ – die 16. Auflage von „Folk & Fools“ in Wirges hatte wieder fast 500 Zuschauer angelockt. Die Veranstalter trafen erneut den Geschmack des Publikums.

WIRGES. Man muss nicht ins Fitnessstudio gehen um sich Muskeln anzutrainieren. Es reicht der Besuch des jährlichen „Festival of Folk & Fools“ in Wirges. Nach einem solchen Abend wird jeder der 470 Besucher von Freunden wegen seines Lachmuskel-Sixpacks beneidet werden. Zugleich lud der Veranstalter, Kleinkunstbühne Mons Tabor und die Stadt Wirges, am Samstagabend zu einer kulturellen Weltreise ein. Irische Folkmusik, österreichisches Kabarett und schwäbische Selbstironie, die mit „Mannes Sangesmannen“ als erstem Programmpunkt den bunten Abend aus jeder Menge Musik und noch mehr Spaß einläuteten.

„Griaß Gott“ hieß es gleich auf Schwäbisch von den sieben Künstlern aus Bad Wurzach, die „alles künne außer deutsch“. Im heiteren A-Capella-Stil berichteten die ehemaligen Klosterschüler dem Publikum vom Drama einer fleischfressenden Pflanze, die eine Fliege vertilgt („I bab fescht“) oder vom Unglück des Ehemannes, der einen Kuchen vom Schrank holen musste.

Zwischen den amüsanten Liedern kitzelte Frontmann Johannes Ott immer wieder Geheimnisse aus den Gästen heraus: „Was ist das kälteste Zimmer im ganzen Haus?“ Eine unbekannte Stimme aus dem Saal: „Das Schlafzimmer.“ Auch musste die 16-jährige Lisa aus Girod dem Schabernack der „Mannes Sangesmannen“ standhalten. Auf der Suche nach einer neuen Freundin wählte „Floh“ sich sie als sein Opfer aus, mit dem er von der Bühne aus mit ihr über ein Bechertelefon plauderte. Sogar ein französisches Liebeslied gab man ihr zum Besten.

Aber nicht nur das Publikum lernte etwas über das Schwabenland. Seit Samstagabend ist nun auch das heimische Motto: „Hui Wäller? Allemol!“ bis in das südlich gelegene Bundesland verbreitet. Ein erfrischender Vortrag der sieben Freunde aus dem „Ländle“ – auch wenn nicht alle Wäller jedes Wort verstehen konnten.

Mit Klaus Eckel aus Österreich wurden den Zuhörern die „Helden des Alltags“ näher gebracht. „Es gibt mindestens vier Millionen Lieder über die Liebe, aber kein einziges über Raufasertapeten.“ So der preisgekrönte Kabarettist aus Wien. Sich selber am Klavier begleitend sang er von „Heinzi“, dem 30er-Zonen-Verkehrschild, das stets motiviert die Geschwindigkeit anzeigt, jedoch noch nicht mal Nordic Walker sich daran halten.

Von Anton, dem fünfjährigen Zwieback, der ein Imageproblem hat, oder dem armen Wecker, der rund um die Uhr arbeitet und das sogar nachts, wo alles schläft, um dann morgens einen auf den Deckel zu bekommen. Gleichzeitig nahm Klaus Eckel auf witzige Weise technische Errungenschaften aufs Korn. „Der beliebteste Begleiter eine Menschen, das Handy, ist mittlerweile so klein, dass es ins Ohr hineinfällt, aber Hauptsache es kann von innen fotografieren“. Philosophisch ging es auch zu bei dem jungen Künstler: „Leidet eine Christbaumkugel unter ihrer Existenz als Saisonarbeiterin? Sehen abgelaufene Joghurts auch ein Licht am Ende des Tunnels?“ Ein paar gute Ratschläge hatte der Komiker auch für das Publikum auf Lager: „Gehen Sie in die Kirche und sprechen sie Fürbitten aus. Dann aber für sich selber. Sagen sie laut: Lieber Gott gib den anderen die Kraft mich als Genie anzusehen. Und alle anderen in der Kirche müssen dann sagen: Herr, wir bitten dich, erhöre uns“. Vor allem Eckels Gegenstandslieder (vom Zahnstocher bis zur Schraube) hatten es dem Publikum im Bürgerhaus angetan.

Als krönender Abschluss des Abends entführte die Band „Gráda“ das Publikum in die Welt der irischen Folkmusik. In ihrer Heimat Irland als die „Hottest New Traditional Band around“ betitelt und als eine der wichtigsten irischen Bands der vergangenen zehn Jahre gefeiert, verzauberten sie mit mitreißenden Klängen der Traditionsmusik aus Irland. Zwar war der Gesang von Nicole Joyce (der einzigen Frau der jungen Formation) nicht zu verachten, viele Gäste hatten aber wohl eher hemdsärmelige Burschen von der Insel mit rauchigen Stimmen erwartet. Der Funke zum Publikum sprang erst zum Schluss über.

Trotzdem schaffte es die Kleinkunstbühne Montabaur zusammen mit der Stadt Wirges, wieder einen charmant-witzigen Abend zu bieten. Ein nicht mehr zu vergessendes Erlebnis. Freuen wir uns schon auf nächstes Jahr und das 17. „Festival of Folk & Fools“. Denise Hülüsch

Rheinzeitung 27.11.2006