Metzelsupp und Weihnachtstrauma

Posted in Presse on Nov 2, 2005

SANGESLIEBE BRONNEN / A capella-Klamauk mit Mannes Sangesmannen

Sie singen schwäbisch, haben begnadete Stimmen und Schauspieltalent:
Mannes Sangesmannen aus Oberschwaben – eine Boygroup der besonderen
Art. Mit ihrem Programm „Muschdrland“ gewannen sie den diesjährigen
Kleinkunstpreis Baden-Württemberg. Zurecht, wie sie in Bronnen unter
Beweis stellten.

Von Heiko Buczinski

NEULER-BRONNEN – Regelmäßige Radiohörer haben es bestimmt noch im Ohr: „Johannes Ott – Grüß Gott“. Es ist noch nicht allzu lange her, da trällerte eine fröhliche Stimme Morgen für Morgen diese Worte aus den Hörfunkgeräten im Schwabenland. In perfektem Hochdeutsch mit gehörig viel Humor führte er durch seine Sendung. Dass Johannes Ott ein echter Bilderbuchschwabe, Verzeihung, -Oberschwabe ist, war dabei nicht wirklich heraus zu hören. Beruflich ist er inzwischen nach Bayern abgewandert.

Um sein Schwäbisch-Defizit in der bayrischen Landeshauptstadt auszugleichen zieht er am Wochenende mit Manfred „Manne“ Gaup und seinen Sangesmannen durch Baden-Württemberg; als Bass und Conférencier. Das Vereinsheim der Sangesliebe Bronnen ist beim Gastspiel von Mannes Sangesmannen bis auf den letzten Platz besetzt. „Tönet ihr Lieder“ prangt groß an der Wand über der Bühne. Eine Bitte, der die sechs Sangesmannen gerne nachkommen. Immer lustig und vor allem: immer auf Schwäbisch. Zu bekannten Melodien – vom Volkslied bis zum Pop-Hit – erklingen à capella Texte über den Schwaben an sich und seine Eigenarten. Da wird zu den Klängen des Beatles-Klassikers „Let it be“ ein den Surrealkubismus vertretender
Landschaftsmaler beschrieben. Da ertönt zur Melodie des Beach Boys-Evergreens
„Surfin‘ USA“ eine Abhandlung übers Schlachten und die „Metzelsupp“ – auf
Französisch „soup du massacre“ – oder wie Ott so treffend zu erklären weiß: „Man schlitzt die Sau mit dem größten Messer auf und alles, was raus läuft, kommt in die Metzelsupp rein …“.

Ott tut während des gesamten Auftritts das, was er am besten kann: moderieren. Als charmant-komischer Kabarettist überzeugt er auf ganzer Linie und bezieht das Publikum immer wieder mit ein. Das muss vor allem der zwölfjährige Simon erfahren. Der wird nicht nur zu schulischen Vorlieben und verwandtschaftlichen Beziehungen ausgefragt, sondern soll auch noch seine Englischkenntnisse unter Beweis stellen. Bei der Frage nach der englischen Bezeichnung für Zylinderkopfdichtung muss der Sechstklässler dann allerdings passen.

Zwischen den Liedern wird immer wieder erzählt und geflachst. So erfährt das Publikum, die exakte Größe des Landkreises Ravensburg, der Heimat der aus Bad Wurzach kommenden Sangesmannen, wieviele Menschen, Kühe, Säue und Schafe
dort leben und sogar dass sieben der Schafe schwarz sind. Oberschwäbische
Gepflogenheiten lernen die Zuhörer auch beim vor Lokalpatriotismus sprühenden Lied „Dr Ravenschburger Landkrois“: der alljährliche Blutritt von Weingarten, die Oberschwabenschau und das Rutenfest von Ravensburg.

Bei der Geschichte zum Lied „Mama“ ernten die Künstler eifriges Nicken aus den Zuschauerreihen. „Das Lied beschreibt unser aller Weihnachtstrauma“, sagt Ott und erklärt wie er und seine Kollegen – allesamt ehemalige Klosterschüler des Salvatorkollegs Bad Wurzach – in Kindertagen jedes Jahr aufs neue dazu gezwungen wurden vor der weihnachtlichen Bescherung auf ihren Instrumenten etwas
vorzuspielen.

Das Bronnener Publikum jedenfalls ist begeistert ob der zweieinhalbstündigen Show und erklatscht sich munter noch drei Zugaben. Achja, Zylinderkopfdichtung heißt übrigens „cylinder head gasket“.

(Schwäbische Post, 2.11.2005)