Es lebe der kleine Unterschied!

Posted in Presse on Aug 2, 2005

„Mannes Sangesmannen“ im Chapiteau: Balsam für die oberschwäbische Seele

Der Schwabe an sich. Er kann einfach alles – außer Hochdeutsch. Das weiß man. Er ist höflich und bescheiden. Auch das ist hinreichend bekannt. Trotzdem gibt es noch eine Steigerungsform. Richtig geraten, es ist der Oberschwabe. Denn: „Schwob zom sei isch a Verdienschd, abr a Gnad Gottes isch, Oberschwob zom sei.“

Wer könnte dies nachdrücklicher belegen als „Mannes Sangesmannen“, die oberschwäbische Antwort auf alle bisher da gewesenen Gesangsformationen. Natürlich sind sie besser. Typisch schwäbisch eben.

Die Kerls treffen einfach den richtigen Ton – in jeder Hinsicht. Sie wissen aber auch genau, wo die Menschen zwischen Schwäbischer Alb und Bodensee der sprichwörtliche Schuh drückt. Balsam auf des (Ober-)Schwaben Seele. Das wurde am Sonntag vom begeisterten Publikum im ausverkauften Chapiteau neidlos anerkannt. Ob an diesem Abend ein Auge trocken blieb? Kaum.

Mal ehrlich: Wer kann das reichlich abgegriffene Wort „Boygroup“ überhaupt noch hören? Eigentlich niemand mehr. Andererseits, wenn die sechs einstigen Klosterschüler aus dem Salvatorkolleg Bad Wurzach mit ihrem ehemaligen Lehrer Manfred Gaupp auf der Bühne stehen, muss man nicht zweimal hingucken. Knackige Jungs, wohin das Auge blickt. Sie beherrschen die Show, das Spiel mit den Zuschauern. Und vor allem können sie singen. A cappella, ohne lästigen Background oder sonstigen technischen Schmus. Wohltuend auch für Ohren aus dem nahe gelegenen Ausland. Natürlich sind sich alle Anwesenden der gottgegebenen hierarchischen Ordnung bewusst. Oberschwaben sind Oberkellner, Badener das einfache Küchenpersonal und Unterländer die Auszubildenden, um ein Beispiel aus dem kulinarischen Bereich zu bemühen. Dennoch ist es Frontmann Johannes Ott hoch anzurechnen, dass er Lindauer Gäste und sogar „Reigschmeggde“, die es vor Jahren von der Landeshauptstadt an den See verschlagen hat, wie selbstverständlich und pädagogisch geschickt in den Ablauf des Abends mit einbezieht und ihnen die Feinheiten der richtigen Ausdrucksweise sensibel nahe zu bringen versucht. Sprachkurs-Beispiel: „Bäradreck bäbbat am Babba seim Babbadeckl.“ Aber auch Häfler kriegen ihr musikalisches Fett ab und erfahren, dass sie „oiga“ sind, „stur wia Bock“ und niemand seinen Bua Fridolin taufen mag.

Ob es um die jeweils sehr spezifischen Texte zu Cliff Richards legendären roten Lippen, die man küssen soll, oder um die ganz neue Bearbeitung ehrwürdiger Volkslieder geht, um „Blärhäge“ oder „Siacha“, um „Spätzlesbrettle“ oder „Mostfässle“, die mit dem diesjährigen Kleinkunstpreis Baden-Württemberg ausgezeichneten Sangesmannen wissen auf alle weltbewegenden Themen – etwa das ergreifende Schicksal einer „Fluige“ im Wurzacher Ried – eine befriedigende Antwort. Darüber hinaus ergeben sich immer wieder spontane und spannende Dialoge mit dem Publikum. Johannes zu Simone: „Wo hast du gelernt, Klarinette zu spielen?“ Simone:“Im Musikverein.“ Johannes: „In Friedrichshafen?“ Simone: „Noi, in Oilinga.“

Recht so, schließlich wohnen auch wir nicht in Deutschland, sondern in Oberschwaben. Es lebe der kleine Unterschied! Hat jemand was gegen Boygroups gesagt?

Brigitte Geiselhart (Südkurier, 02. 08. 05)